Rezension von Der Herr der Ringe - Abenteuer in Mittelerde


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von KOSMOS bereitgestellt wurde.)

Rezension

Ersteindruck
Als "Herr der Ringe"-Fan sind die Erwartungen an ein gleichnamiges Spiel bei mir recht hoch. Die große und schwere Schachtel erreicht diesbezüglich einen guten "Einstand". Auch optisch weiß das Spiel äußerlich zu überzeugen. Nach dem Öffnen des Spiel, macht sich aber zunächst etwas Enttäuschung breit. Ca. 75% des Schachtelinhalts ist mit einem Papp-Abstandshalter bedeckt und die Schwere der Schachtel stammt insbesondere von den 2 schweren Spielfeldern. Qualitativ und optisch gibt es aber auch beim Spielmaterial nichts auszusetzen - alles vermittelt einen stimmungvollen Einstieg in die Herr der Ringe-Welt. Auch die mitgelieferten Miniaturen sind detailliert ausgearbeitet. Lediglich die Tatsache, dass man das Spielmaterial in Plastiktüten geordnet in eine Ecke der Schachtel stopfen (oder den Papp-Abstandshalten entfernen) muss, stört etwas.

Die Anleitung ist - wie die literarische Vorlage - schon fast ein eigenes Epos. 40 Seiten Regeln, Beispiele und Erläuterungen sorgen dafür, dass das Spiel definitiv keinen einfachen Einstieg erlaubt. Die Beispiele sind zahlreich und helfen beim ersten groben Regelverständnis, die Menge an Regeln führt aber dazu, dass die Anleitung bei den ersten Partien ein ständiger Begleiter sein wird.

Thema & Ziel des Spiels
Dass Helden in Mittelerde einerseits kein leichtes Leben und andererseits viel zu tun haben, dürfte jedem Fan der Buch- oder Film-Vorlage bekannt sein. Was liegt also näher, als die epische Schlacht "Gut gegen Böse" vor diesem Hintergrund neu aufzulegen. In "Abenteuer in Mittelerde" übernimmt ein Spieler die Rolle von Sauron, die restlichen Spieler spielen kooperativ die Heldenseite.

Das Spiel endet, sobald ein Fortschrittsmarker das finale Spielfeld der Fortschrittsleiste erreicht. Je nachdem, ob eine Seite ihren Auftrag erfüllen konnte, endet das Spiel mit einem direkten Sieg oder es kommt zu einem letzten Kampf "Held gegen Ringgeister", der den Sieger ermittelt.

Spiel-Vorbereitungen
Aufgrund der Regelmenge kann hier nur ein kurzer Einblick gegeben werden.

Schon der Spielaufbau besteht aus einer kompletten Text-Seite und beinhaltet 23 Punkte bzw. Unterpunkte. Neben der Wahl der Seiten & der Helden wird hier der Spielplan mit sämtlichen Materialien bestückt. Die Kartenstapel werden entsprechend verteilt und bereit gelegt. Die Helden erhalten ihre ersten Questen und der Sauron-Spiele seinen Anfangs-Plot. Als letzter Schritt erhält jede Seite einen geheimen Auftrag, der bei Spielende ausslaggebend über Sieg und Nierderlage sein kann.

Spielablauf
Aufgrund der Regelmenge kann hier nur ein kurzer Einblick gegeben werden.

"Abenteuer in Mittelerde" ist ein teilweise kooperatives Spiel, d. h. die Spieler der Helden treten gemeinschaftlich gegen den Sauron-Spieler an. Das Spiel wird über mehrere Spielrunden bestritten, die jeweils dem gleichen Ablauf folgen - dabei beginnt zunächst Sauron, anschließend führt jeder Heldenspieler seinen Spielzug durch.

Der Spielzug von Sauron besteht aus 6 Phasen, in denen z. B. die Fortschrittsmarker bewegt und Sauron einen neuen Plot ins Spiel bringen darf, mit dem er den Helden das Leben noch schwerer machen kann. Weiterhin kommt während des Sauron-Spielzugs ein Ereignis ins Spiel, das Auswirkungen auf den Spielverlauf hat. In der Aktionsphase kann Sauron (je nach Spielerzahl) 2 oder 3 Aktionen durchführen und so neue Plot- oder Schattenkarten ziehen bzw. Monster befehligen.

Der Spielzug, den jeder Held durchführt, besteht aus 4 Phasen. In diesen Phasen kann sich ein Held regenerieren (erholen), einen Kampf mit einem Monster austragen, reisen oder auf eine Begegnung treffen. Der Kampf läuft hierbei auf Kartenbasis ab. In der Reisephase bewegt sich der Held über durch Mittelerde und erledigt Aufgaben.

Wenn ein Fortschrittsmarker das "Finale"-Feld erreicht, beginnt das Spielende. Das Spiel kann dann entweder durch das Erfüllen eines Auftrages oder durch einen Endkampf gewonnen werden.

Fazit
Zunächst eine Warnung: Kauf euch dieses Spiel nicht aufgrund des Namens "Herr der Ringe". Kauft es euch nicht, wenn ihr auf schnelle und unkomplizierte Unterhaltung steht. Kauft es euch nicht, wenn ihr einen schnellen Spieleinstieg sucht. Alle anderen dagegen können problemlos zugreifen. "Abenteuer in Mittelerde" ist ein reinrassiges Strategiespiel, bei dem erstaunlicherweise nicht gewürfelt wird, da auch die Kämpfe kartenbasiert ablaufen.

Das größte Hindernis, welches vor dem Spieler liegt, nachdem er sich für den Kauf des Spiels entschieden hat, ist die Komplexität des Regelwerks. Dies liegt (zum Glück) nicht daran, dass die Anleitung unbrauchbar wäre, sondern an der schieren Masse an Regeln, Verknüpfungen und Sonderfällen. Dies erklärt die 40-seitige Anleitung so gut, wie man es eigentlich machen kann. Trotz allem gibt es auch bei der 2. oder 3. Partie noch genügend Feinheiten, die man nachschlagen muss. Dies treibt die (mit im Schnitt ca 3 Stunden) angegebene Spielzeit noch weiter in die Höhe, so dass das Spiel ausschließlich von Spielern mit genügend Durchhaltevermögen angegangen werden sollte.

Das Spielmaterial ist durchgängig als gelungen zu bezeichnen - sowohl was die Optik als auch was die Qualität betrifft. Der Spielplan zeigt einen Teil von Mittelerde und erschlägt einen im ersten Moment etwas, aufgrund der vielfältigen Spielfelder, Ablageflächen und Übersichten. Sowohl die Größe des Spielplans als auch die Menge an Spielmaterial setzen eine große Spielfläche voraus. Nun aber ein (in meinen Augen) dicker Minuspunkt, der den Verdacht nahe legt, das der Hersteller (im deutschen wie im englischen) den vermutlich teuer erkauften Namen möglichst gewinnbringend einsetzen wollte. Die Größe der Schachtel steht in keinem Verhältnis zum mitgelieferten Material, das zwar reichhaltig ist, bei entfernen des Papp-Würfels die Schachtel aber nicht ansatzweise ausfüllt. Hier herrscht leider eher "Schein" als "Sein", was bei einem Preis von 45 bis 50 Euro durchaus ärgerlich ist.

Zurück zum Spiel, das glücklicherweise mehr "Sein" als "Schein" ist. Hat man die Anfangshürde der Regelkenntnis einmal überstanden - wobei jede Seite die jeweils anderen Regeln auch kennen sollte - entpuppt sich "Abenteuer in Mittelerde" als äußerst gelungener Strategie-Abtausch. Die Möglichkeiten jeder Seite (Sauron bzw. Helden) den Sieg zu erringen sind vielfältig und ausgewogen. Abgesehen von der Stärke der Helden, die im ggf. auftretenden Endkampf vorteilhaft wirkt, habe ich keine großen Vorteile einer Seite ausmachen können.

Die Menge an verschiedenen Kartentypen wird ebenfalls etwas überfordernd, entpuppte sich aber im Laufe der Partien als gelungener Mechanismus der Spielsteuerung, bei dem die Ausgewogenheit der Seiten recht lange erhalten bleibt - eine Tatsache, die auch der Wiederspielbarkeit zugute kommt.

Insgesamt spielt "Abenteuer in Mittelerde" im oberen Bereich der komplexen Spiele problemlos mit. Wer die Einstiegshürden bei der Lernkurve nicht scheut, dem sei eine Probepartie ans Herz gelegt. Mehr Strategie findet man im "Herr der Ringe"-Brettspiel-Universum nur äußerst selten. Lediglich der recht hohe Preis ist ein kleiner Wermutstropfen.



18. März 2010 - (tp)

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