Rezension von Mystery Rummy Fall 1 - Jack the Ripper


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von Pegasus Spiele bereitgestellt wurde.)

Rezension

Ersteindruck
Kann man einen Kriminalfall mit Rommé verbinden? Das ist die zentrale Frage, die ich mir stellte, bevor ich das Spiel bekommen habe. Um es vorweg zu nehmen: ja, man kann. Rein optisch weiß das Spiel zu überzeugen: Die Verpackung ist in Form eines Buches gestaltet und wirkt sehr edel. Auch der Innenteil ist durch die Zweiteilung und die glänzenden Karten sehr gelungen. Die Illustrationen der Karten sind durch die zeichnungsartigen Bilder sehr stimmungsvoll.

Die Anleitung kann da leider nicht mithalten: eine recht lange Textwurst, die die Regeln einerseits etwas chaotisch erklärt, andererseits viele (eigentlich einfache) Dinge verkompliziert (Stichworte: Scotland Yard und Fallakte). Rein inhaltlich erklärt sie zwar (bis auf sehr wenige Fehler, die in der FAQ zum Spiel behandelt werden) alle Regeln, kann das Spielgefühl und den Spielablauf aber nicht vernünftig vermitteln. Schade.

Thema & Ziel des Spiels
Jack the Ripper - bis heute ist nicht zweifelsfrei geklärt, wer 1988 der Mörder im Londoner East End war. 6 Verdächtige stehen zur Auswahl - einer von ihnen wird am Ende jedes Durchgangs der Morde überführt werden. Es sei denn, er kann entkommen. Wie beim klassischen Rommé legen die Spieler Karten vor sich ab, die am Ende Punkte einbringen, die mit den Minuspunkten für die Handkarten verrechnet werden. Auch ein Tipp, wer der Ripper sein könnte, kann Punkte einbringen. Wer als erster Spieler 100 Punkte erreicht, gewinnt das Spiel.

Spiel-Vorbereitungen
Jeder Spieler erhält eine Übersichtskarte. Die restlichen Karten werden gemischt und jeder Spieler erhält, je nach Spielerzahl, eine unterschiedliche Anzahl an Handkarten. Die nicht verteilten Karten bilden verdeckt den Zugstapel (auch "Fallakte" genannt). Die oberste Karte davon wird aufgedeckt und bildet den Ablagestapel (auch "Scotland Yard" genannt).

Spielablauf
Das Spiel geht reihum und besteht aus mehreren Spielrunden und Durchgängen. Ist ein Spieler an der Reihe, führt er die folgenden 4 Aktionen durch:
  • Tippabgabe: Einmal pro Durchgang kann einer der Spieler einmalig eine Tippabgabe ausrufen; aber nur dann, wenn dieser Spieler eine "Meldung" im Spiel hat (Meldungen sind ausgelegte Hinweise). Nun kann jeder Spieler geheim auf einem Zettel den vermuteten Namen des Rippers notieren. Korrekte Tipps bringen am Ende Bonuspunkte.
  • Karte ziehen: Der Spieler muss von einem der beiden Kartenstapel (Ablage- bzw. Zugstapel) eine Karte ziehen und auf die Hand nehmen.
  • Karte(n) ausspielen: Der Spieler kann nun Meldungen und/oder eine Ereignis-Karte ausspielen und so seine Handkartenzahl reduzieren.
  • Karte abwerfen: Der Spieler muss eine seiner Handkarten auf den Ablagestapel legen.

Ein Spieler kann folgendermaßen Karten von seiner Hand ablegen: Es gibt 2 Kartenarten: Hinweise und Ereignisse. Ereignisse werden immer einzeln ausgespielt, Hinweise immer in Sets von mindestens 3 gleichfarbigen Karten. Karten werden vor jedem Spieler offen ausgelegt. Neben 3 gleichfarbigen Hinweiskarten kann ein Spieler auch einzelne Hinweiskarten bei farblich passenden Karten von anderen Spielern anlegen - allerdings werden diese ausgelegten Karten ebenfalls im eigenen Spielbereich abgelegt. Sowohl für Hinweise als auch für Ereignisse gibt es teilweise Voraussetzungen (z. B. muss für das Ausspielen einer Meldung von Hinweisen mindestens ein Opfer ausliegen) als auch Folgen (z. B. das Ziehen zusätzlicher Karten beim Ausspielen eines Opfers), die befolgt werden müssen.

Ausgelegte Karten bleiben in der Regeln beim ausspielenden Spieler liegen - Ausnahmen sind Opfer, Tatorte und Alibis. Während Opfer und Täter den Spieler wechseln können, kommt ein Alibi auf den Ablagestapel, sobald ein neues Alibi gespielt wurde.

Ein Durchgang endet, wenn ein Spieler seine letzte Handkarte durch die 4. Aktion auf den Ablagestapel legt, ein Spieler die Karte "Der Ripper entkommt" spielt, der Zugstapel zum zweiten Mal aufgebraucht wird oder wenn ein Spieler durch die Karte "Der Polizeipräsident tritt zurück" zur Ablage seiner letzten Karte gezwungen wird. Nun folgt die Wertung des Durchgangs.

Nun muss geprüft werden, ob der Ripper entkommt. Dies ist der Fall, wenn die entsprechende Karte gespielt wurde, für den einzigen möglichen Verdächtigen ein Alibi vorliegt oder der Ablagestapel zum zweiten Mal aufgebraucht wurde und es keine Meldung mit einem Verdächtigen gibt. Dann erhalt der Spieler, der (ggf.) die Karte "Der Ripper entkommt" gespielt hat, 35 Punkte. Alle Spieler erhalten lediglich Punkte für Tatorte und Opfer, die in ihrem Spielbereich liegen.

Ist der Ripper nicht entkommen, werden die Punkte folgendermaßen verteilt: Zunächst wird ermittelt, wer der Ripper ist. Dazu werden die Punktwerte aller ausliegenden Karten, die für einen Verdächtigen gelten zusammen gezählt. Der Verdächtige mit dem höchsten Punktwert (und ohne Alibi) ist der Ripper - bei Gleichstand wird der Verdächtige mit der niedrigeren Nummer im linken unteren Kartenbereich der Ripper. Hat eine Tippabgabe stattgefunden, werden für jeden richtigen Tipp 10 Punkte verteilt. Weitere Punkte bringt jede im Spielbereich ausliegende Karte mit dem jeweiligen Wert dem Spieler, in dessen Spielbereich sie liegt. Punkte für den ermittelten Ripper zählen doppelt. Nicht gespielte Handkarten gelten durch ihren Wert als Minuspunkte - allerdings nicht, wenn die Karten theoretisch hätten gespielt werden können. Tatorte, Opfer und alle restlichen Karten zählen allerdings immer als Minuspunkte. Die Karte "Der Ripper entkommt" zählt 2 Minuspunkte.

Hat mindestens ein Spieler 100 Punkte erreicht, endet das Spiel und es gewinnt der Spieler mit der höchsten Punktzahl.

Fazit
Die Begegnung mit Mystery Rummy verlief in 3 Phasen: Zunächst die Neugier, wie man es schafft, einen Kriminalfall in ein Rummy-Spiel zu integrieren. Dann die Unfassbarkeit, warum man eine solch chaotische und verkomplizierte Anleitung schreiben musste. Und letztendlich das gute Gefühl, das einen bei einem recht gelungenen Spiel überkommt.

Doch der Reihe nach: Das optisch gelungene Spielmaterial habe ich bereits im Ersteindruck gelobt und auch während der Spielrunden gab es eigentlich nichts an den Karten auszusetzen - abgesehen davon, dass sich einige Farben sehr ähnlich sehen und teilweise schwer auseinander zu halten sind - vor allem bei Dämmerlicht. Außerdem finde ich es nach wie vor sehr schade, wenn ein Spiel benötigtes Spielmaterial nicht mitliefert: in diesem Fall z. B. 6 Tippkarten (oder Tipp-Marker) für jeden Spieler sowie einen Punkteblock. Das ist zwar kein grober Patzer, stört mich aber persönlich.

Nun zur Anleitung: Wer denkt sich so was aus? Das schlimme ist ja, dass die Regeln inhaltlich alles erklären - nur muss man diese 2-3x durchlesen, ehe man eine grobe Ahnung hat, dass alles gar nicht so kompliziert ist. Eigentlich sind die Regeln von Mytery Rummy recht einfach (auch wenn es ein paar Feinheiten gibt) und die meisten Bedingungen/Folgen stehen direkt auf den jeweiligen Karten, weswegen eine Partie (wenn man die Regeln erstmal verinnerlicht hat) recht flüssig vonstatten geht. Außerdem: Warum muss ein Ablagestapel "Scotland Yard" und ein Zugstapel "Fallakte" heißen? Das mag zwar inhaltlich passen, verwirrt aber sehr - vor allem wenn man mit Jugendlichen spielt (die angegebenen 8 Jahre halte ich für zu niedrig angesetzt).

Dass das Spiel dann aber dennoch zu überzeugen weiß, liegt m. E. an 2 Dingen: Die Optik ist stimmungsvoll und der Kriminalfall ist durch die Ereigniskarten auf gelungene Art in die Spielmechanik integriert. Außer absoluten Kartenspiel-Linksliegenlasser hat die Jagd nach dem Mörder eigentlich allen Spaß gemacht, auch wenn die Tippabgabe etwas umstritten war. Denn hierbei muss man sich als Spieler (wenn man die Tippabgabe ausrufen will) zwischen zwei Übeln entscheiden: Recht früh im Spiel kann man eigentlich nur raten, wer am Ende der Ripper sein wird; gegen Ende hin ist es oftmals offensichtlich. Es sei denn man hat noch eine Alibi-Karte auf der Hand, die man geschickt für seine Zwecke einsetzen kann. Insgesamt verkam die Tippabgabe bei vielen unserer Runden aber eher zur Nebensache, die vornehmlich dann eingesetzt wurde, wenn man meinte, sich selbst einen Vorteil verschaffen zu können. Insgesamt bringen die Ereigniskarten die größte Interaktion ins Spiel. Einerseits sind sie abhängig voneinander, andererseits kann man durch sie das Spielgeschehen gut zu den eigenen Gunsten verändern.

Der Preis von ca. 10 Euro ist für das gebotene Spielmaterial noch in Ordnung - vor allem wegen der optischen Aufmachung. Wer ein stimmungsvolles Kartenspiel sucht, kann sich Mystery Rummy gefahrlos einmal ansehen - wenn man die Regeln einmal verstanden hat, kann es überzeugen. Vor allem kann man durch Anheben oder Absenken der Punktegrenze die Spieldauer praktisch frei bestimmen. Das Spiel ist in allen möglichen Besetzungen spielbar - zu zweit fand ich es gut aber nicht ganz so überzeugend wie mit mindestens 3 Spielern, da mehrere Spieler einfach mehr Möglichkeiten zur Interaktion bieten. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf den Nachfolger.



28. April 2009 - (tp)

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