Rezension von Schinderhannes


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von Clicker Spiele bereitgestellt wurde.)

Rezension

Schinderhannes
Vor ein paar Jahren ist dem Autor Stephan Riedel mit seinem selbstproduzierten Spiel "Old Town" eine kleine Überraschung gelungen. Das Spiel bot einen neuen Deduktions- und Rätsel-Mechanismus, bei dem es darum ging, eine alte Westernstadt zu rekonstruieren. Trotz des recht hohen Glücksanteils machte es den meisten Spielern viel Spaß.

Nun hat Stephan Riedel das Spiel weiterentwickelt. Mit "Schinderhannes" kommt eine professionellere und regeltechnisch optimierte Version dieses Spielprinzips daher. Ob es wirklich gelungen ist, das Spiel noch zu verbessern, werden wir uns nun näher anschauen.

Spielausstattung
Der Spielplan zeigt Soonwald mit 16 Örtlichkeiten, die durch Wege verbunden und durch Flüsse in vier Bezirke unterteilt sind. Je zwei Bezirke gehören zu einer Himmelsrichtung. Drumherum führt eine Punkteleiste.

Für jeden der vier Spieler gibt es eine Wertungsfigur unterschiedlicher Farbe aus Holz. Die 16 großen Tatscheiben aus Pappe zeigen jeweils ein Delikt. Zu jedem dieser Delikte gibt es fünf kleine Hinweismarker, ebenfalls aus Pappe. Die Delikte sind in vier Gruppen unterteilt: blau (Viehdiebstahl), gelb (Straftat), orange (Ausbruch/Gefängnis) und grün (Schweres Verbrechen). Neben 4 Karten "Marker entfernen" gibt es 76 Infokarten in 4 Typen, die sich anhand der Rückseite unterscheiden lassen. Die "Deliktkarten" beziehen sich auf genau ein Delikt und zeigen 4 mögliche Ortschaften in denen eben dieses Delikt stattgefunden haben kann. Eine "Gruppenkarte" bezieht sich immer auf eine bestimmte Deliktgruppe und eine Himmelsrichtung. Sie bedeutet, dass eines der Delikte dieser Gruppe (nach Wahl des Spielers) in einem der acht Orte der entsprechenden Himmelsrichtung stattgefunden haben kann. Die "Bezirkskarten" zeigen immer zwei Delikte, die in benachbarten und durch Wege verbundenen Orten stattgefunden haben. Die Karte gibt auch an, ob diese entweder im gleichen oder im benachbarten Bezirk passiert sind. Die "Ortschaftskarten" zeigen genau eine Ortschaft und vier Delikte, die dort stattgefunden haben können. Die handliche Spielanleitung in Deutsch und Englisch enthält neben einigen Beispielen auch viele Hintergrundinfos über Johannes Bückler, den "Schinderhannes". Daneben liegt ein ausführlich erklärtes Einstiegs-Spiel für drei Spieler bei.

Spielziel
Die Spieler versuchen herauszufinden, an welchem Ort Schinderhannes welches Delikt verübt hat. Dazu gehen sie verschiedenen Hinweisen über die Infokarten nach. Die Hinweismarker werden auf die möglichen Orte gelegt und helfen bei der Recherche. Über das Ausschlussprinzip können nach und nach Hinweismarker wieder entfernt werden, bis ein Delikt zu einem Ort genau bestimmt ist. Die Spieler werden belohnt, je mehr Informationen sie liefern. Jeder Spieler erhält Punkte entsprechend der entfernten Hinweismarker.

Spielablauf
Der Spielplan wird ausgebreitet und jeder Spieler setzt seine Figur auf das Feld 0 der Punkteleiste. Die 16 Tatscheiben kommen sortiert mit den entsprechenden 5 Hinweismarkern offen neben den Spielplan. Die Infokarten werden getrennt nach Farben (Deliktgruppen) gemischt und auch neben den Spielplan gelegt. Die Ortschafts-Karten werden ebenfalls gemischt und in zwei gleichmäßigen Stapeln verdeckt daneben gelegt. Jeder Spieler zieht reihum eine Karte von einem beliebigen Kartenstapel, solange bis jeder vier Karten auf der Hand hält. Dazu bekommt jeder noch eine Karte "Marker entfernen".

Der Spieler, der am Zug ist darf nun genau eine Handkarte ausspielen und kann zusätzlich eine abwerfen. Anschließend zieht er entsprechend ein oder zwei Karten nach. Dabei darf er frei auswählen von welchen Stapeln. Will oder kann der Spieler keine Karte spielen, darf er auch beliebig viele Karten abwerfen und entsprechend viele nachziehen, plus eine zusätzliche Karte. Dadurch hat er immer eine Karte mehr auf der Hand.

Generell gilt: Wird eine Infokarte von einem Delikt ausgespielt, von dem sich noch keine Marker auf dem Spielplan befinden, werden die entsprechenden Hinweismarker auf die laut Karte möglichen Orte eingesetzt. Hierbei bleiben gegebenenfalls welche übrig. Befinden sich die jeweiligen Hinweismarker bereits auf dem Spielplan, können gemäß der ausgespielten Karte ein oder mehrere davon entfernt werden. Bleibt nur noch ein Hinweismarker auf dem Spielplan übrig, wird dieser durch die entsprechende Tatscheibe ersetzt und die eventuell weiteren Hinweismarker an diesem Ort werden entfernt. Dadurch können wiederum weitere Delikte festgelegt werden. Alle in einem Zug nicht eingesetzten oder weggenommenen Marker bedeuten jeweils einen Siegpunkt für den Spieler. Mit der Karte "Marker entfernen" darf jeder Spieler einmal im gesamten Spiel genau einen einzelnen Hinweismarker entfernen.

Das Spiel endet entweder, wenn keine Handkarten mehr spielbar sind, oder wenn auf jeder Ortschaft eine Tatscheibe liegt und somit alle Straftaten und deren Orte feststehen. Es gewinnt der Spieler mit den meisten Punkten.

Bei den "Solospielen" handelt es sich um vier Logik-Rätsel, bei denen anhand von einer festgelegten Auswahl bestimmter Hinweiskarten genau eine Lösung möglich ist, die es gilt herauszufinden.

Fazit
Schon "Old Town" faszinierte mit seinem innovativen Spielprinzip. Zwar braucht man beim ersten Spiel ein paar Züge um dieses zu verstehen. Aber hat man es erst einmal verinnerlicht spielt es sich schnell und locker von der Hand.

Dabei ist jedes Spiel anders, da sich die Lösungen - sprich welches Delikt zu welchem Ort gehört - erst im Spiel ergeben und nie von vornherein feststehen. Durch geschickte Auswahl der Infokarten und das Ausspielen zum richtigen Zeitpunkt kann der Spieler viele Hinweise liefern und entsprechende Punkte kassieren. Natürlich spielt beim Nachziehen der Karten auch das Glück eine kleine Rolle. Zunächst sieht auf dem Spielplan noch alles leer aus und das Spiel muss sich erst mal etwas aufbauen. Sind jedoch schon einige Hinweismarker im Spiel geht es Schlag auf Schlag. Da werden immer mehr Marker entfernt und die möglichen Zuordnungen von einem Delikt zu einem Ort immer weiter eingekreist. Oft wichtig ist auch die Entscheidung wann man eine Karte ausspielt. Geschieht dies zu früh, bekommt man vielleicht noch nicht so viele Punkte. Wartet man zu lange, kann man die Karte vielleicht gar nicht mehr spielen, da schon ein anderer Spieler die notwendigen Informationen geliefert hat. Zum Ende hin, wenn schon einige Tatscheiben auf dem Spielplan liegen, ergeben sich die restlichen Delikte meist zwangsläufig und man muss oft nur noch Karten abwerfen, um die richtigen auf die Hand zu bekommen. Somit entsteht ein Spannungsbogen, der am Anfang etwas braucht, in der Mitte voll in die Höhe schießt und am Ende etwas abflacht. Vorausplanen lässt sich das Spiel nur bedingt. Meistens ist es eher ein Reagieren auf die aktuelle Situation, da sich auf dem Spielplan einiges geändert haben kann, bis man wieder an der Reihe ist. So ist eine gewisse Planung im Spiel zu Zweit schon eher möglich als zu Viert.

Die Aufmachung von "Schinderhannes" ist sehr gut gelungen. Der Spielplan bietet durch die Gestaltung in Form einer auf einem Tisch ausgebreiteten Landkarte eine ansprechende Atmosphäre. Die Infokarten zeigen abwechslungsreich schöne Bilder der einzelnen Delikte. Entsprechend sind die Tatscheiben und Hinweismarker farblich passend in das Spiel eingebunden. Dadurch leidet allerdings auch etwas die Übersichtlichkeit während des Spiels. Das Material ist - gerade für eine Eigenproduktion - insgesamt von guter Qualität. Nur der Spielplan wirkt etwas dünn und kantig. Der Spielschachtel liegt keine Sortierhilfe bei, so dass die Materialen durcheinander fallen. Aber ein paar sogenannte Druckverschlussbeutel schaffen hier schnell Abhilfe. Die farbige, im DIN A5-Format gedruckte und wie ein kleiner Roman geheftete Spielanleitung ist recht ausführlich und mit einigen Beispielen versehen. Sie ist komplett zweisprachig in Deutsch und Englisch. Aufgrund des Spielprinzips müssen die Regeln beim ersten Spiel aber trotzdem erst mal erarbeitet werden. Unterstützt wird man dabei sehr gut durch die beigefügte Erklärung für ein Einstiegs-Spiel. Noch besser ist es, wenn man sich das Spiel von jemand erklären lässt, der es bereits kennt. Sehr interessant und lobenswert sind auch die vielen Hintergrundinformationen über "Schinderhannes".

Im Vergleich zu "Old Town" wurde der Glücksfaktor um einiges reduziert und der Spielablauf weiter optimiert. Thematisch war zwar die Rekonstruktion einer Geisterstadt schon interessant, mit "Schinderhannes" passt dies nun aber perfekt. Die Gestaltung ist professioneller geworden und bietet eine dichtere Atmosphäre. Durch die Einfachheit bei "Old Town" war dieses allerdings etwas übersichtlicher. Insgesamt ist "Schinderhannes" eine gelungene und konsequente Weiterentwicklung von dem leider nicht mehr erhältlichen "Old Town".

Man merkt, dass der Autor viel Herzblut in das Spiel gelegt hat. Das fängt an beim sehr ausführlich recherchierten Hintergrundthema, geht über die ansprechende Aufmachung bis hin zum optimierten Spielablauf. Somit ist "Schinderhannes" ein kurzweiliges Spiel mit angenehmer Spieldauer, das durchaus für jede Spielgruppe geeignet ist. Und das Alles zu einem - gerade für eine Eigenproduktion - sehr fairen Preis.



14. Februar 2010 - (ms)

Rezensionsbilder