Rezension von Senji


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von Pro Ludo bereitgestellt wurde.)

Rezension

Ersteindruck
Ich mag Japan und ich mag taktische Eroberungsspiele (ok, der letzte Punkte sollte sich später als Fehleinschätzung herausstellen) - eigentlich gute Voraussetzungen für einen schönen Spieletest. Vor allem wenn man sich das wirklich gelungene Spielmaterial von Senji ansieht. Schon das Cover macht neugierig und ist passend illustriert. Der gleiche Eindruck setzt sich beim restlichen (reichhaltigen) Spielmaterial fort: Anleitung, Spielbrett, Miniaturen und Karten sind thematisch gut getroffen und hochwertig gestaltet. Lediglich die bonbonfarbigen Festungsminiaturen missfallen mir etwas - hier wären dezentere Farben angebrachter gewesen. Sämtliches Spielmaterial lässt sich (das ist vorbildlich) fein säuberlich in der Verpackung ordnen. Was das Spielmaterial betrifft bekommt man bei Senji einen hervorragenden Gegenwert für sein Geld.

Die Anleitung ist reichhaltig mit Bildern und Beispielen versehen, was die recht komplexen Regeln etwas "harmloser" erscheinen lässt. Auch bei der Anleitung fallen die schönen Illustrationen auf. Da die Regeln recht komplex sind, enthält die Anleitung viel Text - dieser wirkt aber nie dominant. Insgesamt eine gute Anleitung - da mir die englische Version des Spiels vorliegt, kann ich allerdings nicht bewerten, ob die deutsche Anleitung ebenfalls vernünftig die Regeln erklärt - ich vermute es aber.

Thema & Ziel des Spiels
Das feudale Japan mit Kaiser, Samurai und der hochgeschätzten Ehre ist Thema vieler Filme und Spiele. So auch in Senji - jeder Spieler verkörpert eine Familie, die stets bemüht ist, dem Kaiser und Vaterland ehrenhaft zu dienen. Nur wer eine gute Mischung aus Diplomatie, militärischer Eroberung, geschicktem Schmieden und Verwerfen von Bündnissen und dem Sammeln von Hanafunda-Karte erspielt, kann das Spiel gewinnen. Für viele Taten gibt es Ehrenpunkte und wer am Ende eines Spieljahres mindestens 60 Ehrenpunkte gesammelt hat, gewinnt das Spiel.

Spiel-Vorbereitungen
Der Spielplan kommt in die Tischmitte. Jeder Spieler erhält (in seiner Farbe) 12 Militäreinheiten, 6 Festungen, eine Übersichtstafel, einen Punkte-Marke sowie 12 Diplomatie-Karten. Die anderen Karten werden nach Typ (Hanafuna bzw. Samurai) sortiert, gemischt und verdeckt bereit gelegt. Das restliche Spielmaterial kommt in Griffweite.

Jeder Spieler zieht nun 4 Hanafunda-Karten. Zusätzlich zieht jeder Spieler 3 Samurai-Karten, von denen jeder eine behält. Weiterhin nimmt sich jeder 3 Festungen und 3 Militäreinheiten aus seinem Vorrat sowie die passende Samurai-Figur. Auf der gezogenen Samurai-Karte sind Ehrenpunkte angegeben, die der Spieler mit seinem Punktemarker auf der Punkte-Leiste markiert. Der Spieler mit der höchsten Punktzahl nennt nun (in beliebiger Reihenfolge) die Provinzen (je nach Spielerzahl werden einige Provinzen nicht genannt) und der Spieler mit der entsprechenden Farbe stellt eine seiner Festungen in diese Provinz. Zusätzlich darf ein Spieler seinen Samurai und beliebig viele seiner 3 Militäreinheiten einsetzen. Alle Einheiten müssen am Ende dieser Vorbereitung eingesetzt worden sein.

Spielablauf
Hinweis: Aufgrund der Regelvielfalt, wird hier nur eine grobe Zusammenfassung gegeben.

Das Spiel verläuft (bis ein Spieler 60 Ehrenpunkte erspielt hat) in Runden, die jeweils in 5 Phasen unterteilt sind:
  • Den Kaiser beherbergen: Den Kaiser beherbergt der Spieler, der die meisten Ehrenpunkte besitzt - bei Gleichstand entscheidet der Spieler, der zuletzt den Kaiser beherbergte (in der ersten Spielrunde wird gewürfelt). Der Spieler, der den Kaiser beherbergt nimmt sich die Sanduhr und hat in einigen Phasen wichtige Aufgaben.
  • Winter (Diplomatie): Die Spieler nehmen ihre Diplomatie-Karten; danach wird die Sanduhr umgedreht. Bis zum Ablauf der Sanduhr (4 Minuten) können die Spieler untereinander (auch so, dass andere Spieler es nicht mitbekommen) mit Hilfe der Karten Bündnisse schmieden oder Abmachungen treffen. Man kann (eigene und auch fremde, sofern man solche hat) Familienkarten anderen Spielern als Pfand hinterlassen. Es ist möglich militärische Unterstützung zuzusichern sowie Handelsabkommen zu schließen. In der Regel werden Abkommen durch den Austausch von Karten vorgenommen, es ist aber auch möglich innerhalb dieser 4 Minuten andere Absprachen untereinander zu treffen - nur Hanafunda-Karten dürfen in dieser Phase nicht getauscht werden.
  • Frühling: Es gibt 3 Arten von Befehlen: Produktion, Rekrutierung und Marschbefehl. In der Frühlingsphase legt jeder Spieler verdeckt einen Befehlsmarker auf jede seiner Provinzen.
  • Sommer: Der Spieler, der den Kaiser beherbergt gibt nun die Reihenfolge vor, in dem die Provinzen ihre Aktionen durchführen. Er deckt nacheinander die (im Frühling) gelegten Befehlsmarker auf und führt den Effekt aus. Bei einer Produktionskarte erhält der Spieler 2 Hanafuda-Karten vom Stapel. Bei einer Rekrutierung stellt der Spieler 2 neue Militäreinheiten in seine Provinz; es dürfen (plus Samurai) nicht mehr als 6 Einheiten in einer Provinz stehen. Ein Bewegungs-Befehl erlaubt 3 verschiedene Bewegungen: Landbewegung (beliebig viele Einheiten der Provinz in eine angrenzende Provinz), Seebewegung (beliebig viele Einheiten der Provinz in eine angrenzende Seeregion) und See-Überfall (beliebig viele Einheiten der Provinz in eine Provinz, die an die angrenzende Seeregion grenzt - hierbei können Verluste auftreten). Einheiten, die sich auf Seefeldern befinden, werden automatisch aktiviert (auch durch ansage des Spielers, der den Kaiser beherbergt). Seeeinheiten können (falls gewollt) sich ein weiteres Seefeld fortbewegen oder beliebig viele Einheiten in eine angrenzende Provinz stellen.
  • Herbst: Der Spieler, der den Kaiser beherbergt, bestimmt die Reihenfolge in der die Spieler beliebige der folgenden Aktionen durchführen können: Eine Handelskarte eines anderen Spielers einlösen (man bekommt Hanafunda-Karten von diesem Spieler), mit 5 Diplomatie-Karten von anderen Spielern 10 Ehrenpunkte eintauschen, durch das Ablegen bestimmter Hanafunda-Karten (bis zu 24) Ehrenpunkte erlangen oder neue Samurai rekrutieren, Ehrenpunkte durch das Auslegen von fremden Familienmitgliedern bekommen oder ausgelegte Familienmitglieder zurück auf die Hand nehmen, Söldner anheuern (nur für Spieler, die keine Provinzen mehr besitzen).


Das Spiel endet, am Ende des Jahres, in dem ein Spieler mindestens 60 Ehrenpunkte erhalten hat. Der Spieler mit der höchsten Punktzahl gewinnt.

Der Kampf bei Senji verläuft auf Basis von Würfelergebnissen und Kampfwerten. Jede kämpfende (Angriff bzw. Verteidigung) Einheit ist einen Punkt wert. Für jeden Samurai wird ein Würfel genommen und auf das betreffende Familiensymbol gedreht. Die restlichen Würfel werden geworfen. Nun ist jeder Würfel, der das eigene Familiensymbol zeigt einen weiteren Punkt wert. Zuletzt spielt jeder Spieler eine militärische Unterstützungskarte - diese zählen nun ebenfalls für den betreffenden Spieler bzw. falls es sich um eine Unterstützungskarte einer fremden Familie handelt, zählen die entsprechenden Symbole auf den Würfeln ebenfalls für den Spieler. Der Spieler mit dem höchsten Punktwert gewinnt. Der Verlierer verliert alle seine Einheiten aus der Provinz, der Gewinner verliert allerdings ebenso viele militärische Einheiten (außer dem Samurai) und legt eine Festungsfigur auf die neue Provinz ein. Der Gewinner erhält 2x die Anzahl aller verlorenen Einheiten als Ehrenpunkte (wenn Angreifer) bzw. die Anzahl aller verlorenen Ehrenpunkte (wenn Verteidiger).

Fazit
Als ich Senji zum ersten Mal auspackte, fiel mir (neben dem sehr gelungenen restlichen Spielmaterial) natürlich gleich die Japan-Karte auf, die in verschiedene Provinzen eingeteilt ist. Daraus ergab sich die, in meinen Augen, logische Schlussfolgerung, dass es sich bei Senji um ein Eroberungsspiel in Risiko- oder Shogun-Art handelt. Wer auf ein solches Spiel aus ist, kann hier aufhören zu lesen: Senji ist kein Eroberungsspiel. Es gibt zwar Elemente der Eroberung, sie sind aber im eigentlichen Spielablauf nicht markant.

Die eigentliche Frage dieser Rezension ist eher: Was ist Senji, wenn es kein reines Eroberungsspiel ist? Ist es ein Diplomatie-Spiel (Winter-Phase)? Ist es es Strategie-Spiel (Frühlings- & Sommer-Phase)? Oder ist es gar ein Karten-Sammelspiel (Hebst-Phase)? Senji ist ein bisschen von alledem.

Zunächst zum kriegerischen Eroberungselement: Bei Senji platziert man militärische Einheiten und kann mit diesen Kriegern auch fremde Provinzen erobern. Doch zum Sieg wird man über diesen Weg nur selten gelangen, denn die eigenen Verluste bei Kämpfen sind oft sehr hoch, da man ja als Gewinner einer Schlacht immer genau so viele Einheiten abgeben muss, wie der unterlegene Spieler. Hat z. B. der unterlegene Spieler 4 Einheiten, der Sieger 5 Einheiten, so steht der Gewinner nach dem Angriff mit genau einer militärischen Einheit da und ist damit gern gesehenes Ziel weiterer Eroberungen (auch wenn diese sehr wenig Ehrenpunkte einbringen). Diese verlorenen Einheiten müssen erst mühsam durch Aktionen wieder aufgestockt werden. Auch ist der Glückfaktor beim Kämpfen durch den Würfelwurf naturgemäß sehr hoch. Ein weiterer Grund, warum man militärisch nur selten zum Sieg gelangen kann, ist die Tatsache, dass ein Spieler maximal 6 Provinzen kontrollieren darf. Einziger langfristiger Vorteil (abgesehen von den Ehrenpunkten) durch das Erobern der Provinzen ist die Tatsache, dass man dadurch mehr Aktionen ausführen kann und sich somit ggf. schneller entwickelt. Die Ehrenpunkte durch Kämpfe sind eine sinnvolle Unterstützung aber m. E. oft nicht vorrangig.

Neben dem kriegerischen Element gibt es noch die Hanafunda-Karten, die in meinen Augen das mächtigste Element von Senji sind, da sie in der Herbst-Phase sehr viele Punkte einbringen können. Die Spieler können beliebig viele dieser Karten sammeln und schon mit 4 Tieren (von denen es 16 in den 96 Hanafundakarten gibt, also ca. 17%) erhält der Spieler 8 Ehrenpunkte (ca. 1/7 der erforderlichen Punkte). Es gibt mehrere dieser Kombinationen, die (im Extremfall) bis zu 24 Punkte einbringen (das sind 40% der Punkte bis zum Sieg). Da fast alle Karten für einen Spieler zu gewinnbringenden Kombinationen eingesetzt werden können, ist die Tauschbereitschaft hier oft sehr gering, da jeder Spieler auf die gewinnbringendsten Karten sammelt.

Dritter zentraler Bestandteil von Senji ist die Diplomatie-Phase, die in meinen Augen aber (leider) oft etwas zu kurz kommt, da sie - zumindest bei uns - zu wenig Auswirkungen hatte. Es gibt 3 Kartentypen, die "gehandelt" werden dürfen: Familienkarten, Militärkarten und Handelskarten. Karten gleicher Art 1:1 gegeneinander auszutauschen macht fast immer keinen Sinn, denn wer nimmt z. B. freiwillig eine 1er Familienkarte vom Gegner und gibt eine höhere Familienkarte ab - es sei denn, man handelt mit fremden Diplomatiekarten. Die Militärkarten sind bei einem Kampf einerseits von großer Wichtigkeit, da sie einen Kampf entscheiden können, andererseits sind Kämpfe wie beschrieben meist zweitranging, da sie zeit- & ressourcenaufwändig sind. Bleiben noch die Hanafunda-Karten, die sehr mächtig sind, da sie ggf. viele Ehrenpunkte einbringen. Auch hier würde ich nur einen Tausch durchführen, wenn ich im Gegenzug eine mir selbst sehr wichtige Karte erhalte - also muss ich auch einem Gegner eine für ihn sehr wichtige Karte geben. Oft sind sinnvolle diplomatische Aktionen Mischungen aus verschiedenen Karten und Versprechen. Gerade dieser Diplomatie-Teil steht und fällt mit den beteiligten Spielern und der Spielerzahl. Wo ich bei 3 Spielern noch eher die "Abblock-Taktik" anwende (dem Gegner bloß keine Karte geben, die er benötigen könnte) bin ich bei 5 Spielern vermutlich schneller auf der Suche nach Allianzen, um z. B. den führenden Spieler zu schädigen. Besteht die Spielrunde nur aus vorsichtigen Spielern, kann man die Diplomatie-Phase fast ausfallen lassen.

Auch wenn meine Ausführungen hier eher negativ erscheinen und auf ein schlecht ausbalanciertes Spiel hindeuten, macht Senji in der richtigen Spielrunde ("gemäßigte" Strategen) durchaus Spaß. Das sehr gelungene Spielmaterial kann einige der kleinen Schwächen durchaus überdecken und da man am Anfang zumindest eine Partie benötigt, um die Zusammenhänge des Spiels zu erkennen ist auch ein gewisser Wiederspielwert gegeben. Die o.g. Probleme fallen vor allem deswegen auf, weil das Spiel mit Diplomatie, Kampf und Sammeln mehrschichtig ist und sich dadurch die Frage nach dem Zusammenspiel stellt. Der Preis von aktuell ca. 35 bis 40 Euro ist durchaus gerechtfertigt, man bekommt einen guten Gegenwert für sein Geld. Man sollte Senji auf jeden Fall einmal antesten, denn die (teils gelungene, teils nicht gelungene) Mischung ist nicht jedermanns Geschmack. Für mich persönlich ist Senji insgesamt ein gutes Spiel mit einigen Schwächen, die ich aber, aufgrund der schönen Aufmachung, gelegentlich bereit bin zu vergessen. Leider aber nicht das absolute Highlight, das ich mir aufgrund der Optik und nach dem ersten Eindruck erhofft habe.



31. Januar 2009 - (tp)

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