Rezension von Amyitis


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise von HUCH & friends bereitgestellt wurde.)

Rezension

Ersteindruck
Auch wenn das Cover erst auf den zweiten Blick das Thema "Babylon" vermittelt, ist es optisch durchaus gelungen gestaltet. Leider kann das restliche Spielmaterial (Spielbretter & Karten) diesen Standard nicht ganz halten. Gerade das Hauptspielbrett wirkt sehr abstrakt mit teilweise (zu) bunten Farben - auch die relevanten Informationen auf Spielfeld, Ablagefelder usw. könnten besser herauskommen. Qualitativ gibt es hingegen nichts auszusetzen, hier wird der gewohnte Standard geboten. Leider fehlt auch bei Amyitis eine vernünftige Aufbewahrung für die Spielmaterialien, so dass die Marker und Karten kreuz und Quer in der Verpackung umherfliegen.

Die Anleitung versucht in meinen Augen zwar durch zahlreiche Beispiele die recht komplexen (bzw. komplex wirkenden) Regeln zu erläutern, schafft dies aber nicht. Man bekommt zwar einen guten Gesamtüberblick, die Regeldetails werden allerdings zu kompliziert dargestellt. Insgesamt schaffte es die Anleitung nicht, mir das Spiel nachvollziehbar zu erläutern. Man sollte hier unbedingt auch das Spielmaterial hinzunehmen und dann mit der Anleitung das Spiel Schritt-Für-Schritt erlernen.

Thema & Ziel des Spiels
Der Name Amyitis dürfte nur den wenigsten geläufig sein und gäbe es die Anleitung nicht, auch mir. Die Anleitung klärt auf, dass Amyitis sowohl die Tochter des medischen Königs als auch die Frau von Nebukadnezar, dem König von Babylon war - und zwar 590 v. Chr. Um die holde Gattin zufrieden zu stellen, will der König einen wundervollen Garten errichten. Die Spieler verkörpern Adlige, die den König bei seinem Vorhaben unterstützen um möglichst viel Prestige zu sammeln. Wer am Spielende das meiste Prestige gesammelt hat, gewinnt.

Spiel-Vorbereitungen
Die beiden Spielpläne werden in die Tischmitte gelegt. Auf das Babylon-Feld wird das Karawanenplättchen, neben die Spielpläne das (je nach Spielerzahl) passende Amyitis-Kärtchen gelegt. Die Pflanzenkarte, die auf beiden Seiten die Pflanze mit der 2er-Qualität zeigt, wird auf das Feld "Khorsabad" gelegt - die restlichen 3 Pflanzen belíebig mit der 1er Qualität nach oben auf Éshnunna, Ur und Mari verteilt. Die Gewerbekarten werden als 4 verdeckter Stapel bereit gelegt - ebenso die Hofkarten, die nach Arten sortiert wurden, nun aber offen ausliegen.

Von jeder Warensorte (außer Wein) wird ein Plättchen genommen, diese 4 gemischt und auf jede 2er Karawanenführerkarte gelegt - der Rest diese 4 kommt aus dem Spiel. Die Gartenplättchen werden nach Qualität sortiert - das 10er Plättchen kommt auf das oberste Feld der hängenden Gärten - dann 3 3er Qualitäten auf die 3. Ebene, 5 er-Qualitäten auf die 2. Ebene und sieben 1er-Qualitäten auf die erste Ebene - der Rest kommt aus dem Spiel.

Jeder Spieler erhält die Würfel in seiner Farbe, 4 Talente, 1 Kamel sowie einen Karawanenführer der Stufe 0. Die Markierungssteine werden auf das Null-Feld der Wertungsleiste gelegt. Der Startspieler erhält die Startspielerkarte.

Spielablauf
Das Spiel läuft über mehrere Runden, die in 3 Phasen aufgeteilt sind.

1. Phase: Aufstellung
Der Startspieler nimmt alle Gewerbekarten, mischt diese und legt (je nach Spielerzahl) 2 bis 4 Dreiergruppen offen aus. Weiterhin erhalten die Spieler nun Talente und Prestigepunkte, wenn diese eine Bankier-Karte in ihrem Vorrat haben.

2. Phase: Aktionen
Im Uhrzeiger sinn jeder Spieler eine Aktion durchführen - so lange, bis alle Spieler gepasst habe. Die Aktionen sind:
  • Passen: Der Spieler legt einen seiner Würfel auf das Passen-Feld. Er kann in dieser Runde keine Aktionen mehr durchführen.
  • Rekrutieren: Der Spieler wählt eine der ausliegenden Gewerbekarten. Ist es die erste genommene Gewerbekarte dieser Gruppe, kostet die Karte nichts, die 2. kostet 1 Talent, die 3. kostet 2 Talente. Dann führt der Spieler die Gewerbeaktion durch (s.u.) und dreht die Karte um.
  • Karawane bewegen: Der Spieler gibt beliebig viele Kamelplättchen ab (mind. 1) und zieht die Karawane um entsprechend viele Felder im Uhrzeigersinn vorwärts. Hat ein Spieler einen Karawanenführer der Stufe 1 kann er die Karawane bis zu weitere 2 Felder vorwärts bewegen - bei einem Karawanenführer der stufe 2 sogar um bis zu 4 Felder. Danach handelt der Spieler auf diesem Feld (s.u.)

Kauft der Spieler einen Gewerbekarte, führt er danach jeweils die passende Aktion aus:
  • Bauer: Der Spieler legt einen seiner Würfel auf einen Acker in einer der beiden Ackerreihen - dabei muss er eines der am weitesten links liegenden Felder belegen - und nimmt sich das entsprechende Warenplättchen. Ist eine Reihe voll, erhält der Spieler mit den meisten Würfeln in dieser Reihe eine Gärtnerkarte. Bei Gleichstand erhält keiner eine Karte. Danach wird die Reihe abgeräumt. Bei einem Wein-Feld kann sich der Spieler ein Plättchen aussuchen.
  • Priester: Der Spieler legt einen seiner Würfel auf dem ersten Feld in einer der 3 Tempelreihen - bereits liegende Würfel werden um ein Feld weiter geschoben. Ein ggf. überzähliger Würfel geht an den Spieler zurück.
  • Ingenieur: Der Spieler legt einen seiner Würfel in eine Bewässerungszone und erhält dafür 2 Prestigepunkte. Dabei muss der Wasserfluss durchgehend vom Fluss bis zum bewässerten Feld reichen.
  • Händler: Der Spieler nimmt sich ein Kamelplättchen.

Bewegt ein Spieler die Karawane, muss er danach auf dem Feld handeln. Es gibt folgende Möglichkeiten:
  • Der Spieler verkauft Warenplättchen an den allg. Vorrat und erhält dafür Prestigepunkte un eine Bewässerung
  • Der Spieler erhält gegen Abgabe einer Ware eine Karte der abgebildeten Art und erhält danach noch eine Karte, die in der Stadt erhältlich ist.
  • Der Spieler kauft eine Pflanze und zahlt ein Plättchen der abgebildeten Art. Die Pflanze wird nun in den Garten gepflanzt.

Das Anpflanzen passiert auf den 16 Feldern des Hauptspielplans. Ein Feld darf nur bepflanzt werden, wenn es von mindestens einer Seite vollständig bewässert wird und die Qualität der Pflanze der erforderlichen Qualität entspricht. Setzt ein Spieler einen Gärtner ein, erhöht dies die Qualität einer Pflanze um 1 - die Gärtnerkarte kommt in den Vorrat zurück. Der Spieler erhält für das Anpflanzen das entsprechende Gartenplättchen, sowie Prestigepunkte. Der Spieler, der um dieses Feld die meisten Bewässerungswürfel platziert hat erhält dafür Prestigepunkte in Höhe der Qualitätsstufe. Zuletzt werden Bewässerungszonen zwischen bereits bepflanzten Feldern mit grauen Würfeln markiert.

3. Phase: Rundenende
1. Prozession: Der Spieler rechts vom Startspieler platziert einen eigenen Würfel in einem Tempel seiner Wahl sowie je einen neutralen Würfel in den beiden anderen Tempeln.
2. Tempel: Die Mehrheit in den Tempeln wird ermittelt - bei Gleichstand führt derjenige, dessen Würfel sich am weitesten rechts befinden. In Ishtar gewinnt der erste 1 Kamel oder 1 Talent - der Zweitplatzierte das, was der Erstplatzierte nicht will. In Marduk gewinnt der Erste 2 Preistigepunkte, der Zweite 1 Preistigepunkt. In Tammouz stellt der Erstplatzierte einen Würfel auf einen der beiden Ackerfelder und nimmt sich die entsprechende Ware - der Zweitplatzierte kann eine seiner Waren gegen eine andere (außer Wein) tauschen.
3. Vorrat: Spieler mit Karawanenführern der Stufe 0 oder 1 dürfen max. 2 Warenplättchen behalten - Spieler mit Karawanenführern der Stufe 2 maximal 4 Warenplättchen.
4. Der Startspieler geht an den nächsten Spieler über.

Das Spiel endet nach dem Ablauf der Runde in der nur noch 3 bzw. 4 (je nach Spielerzahl) Gartenplättchen verfügbar sind. Je nach Spielerzahl erhalten die Spieler nun unterschiedlich viele Punkte für ihre Gartenplättchen sowie 1 Punkt für jede Ware im eigenen Vorrat. Es gewinnt, wer die meisten Punkte besitzt.

Fazit
Zunächst (noch) ein Wort zur Anleitung: Bei einem so komplexen Spiel wie Amyitis its es in meinen Augen unabdingbar, dass die Anleitungen die Regeln gut erklärt, das Spielprinzip vermittelt und dem Spieler behutsam die Abläufe darlegt. Die Anleitung von Amyitis beinhaltet zwar viele Abbildungen und Beispiele und ist diesbezüglich eigentlich sehr vorbildlich, aber sie schafft es nicht, in das Spiel einzuführen. Schon der Spielaufbau (bei der ersten Partie) gerät zum Hin- und Herblättern, auf der Suche, welches Spielmaterial nun wo eingesetzt wird. Daher mein unbedingter Tipp: Die Anleitung vor der ersten Partie zu lesen, macht nur bedingt Sinn - besser ist es, das erste Spiel dafür zu "opfern", die Regeln kennen zu lernen und einfach mit der Anleitung in der Hand Schritt für Schritt das Spiel erlernen.

Nun zum eigentlichen Spiel. Amyitis ist ein Strategie-Schwergewicht. Wer nicht gerne nachdenkt oder an der passenden Strategie feilt, der sollte gar nicht erst anfangen, das Spiel zu spielen. Amyitis ist ein sehr offenes Spiel, d. h. es gibt viele Wege zum Sieg und jeder Spieler muss bei jeder Partie diesen Weg neu suchen und finden. Wer es einmal über die erste Verständnishürde geschafft hat, wird mit einem in meinen Augen recht ausgeglichenen Spiel belohnt. Man benötigt allerdings mindestens eine Partie, um die Zusammenhänge des Spiels zu verstehen: Wofür benötige ich Geld/Waren/Kamele? Was bringen mir die Tempel? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, dass ich anpflanzen kann? Wenn man diese Abhängigkeiten verstanden hat, entfaltet Amyitis seine volle strategische Pracht.

Leider ist die optische Pracht nicht ganz so sehr gelungen - der Spielplan wirkt, als wären die Farben vertausch worden und ist auch sonst sehr "einfach" gestaltet. Die Karten zeigen nur das nötigste - lenken dadurch aber auch nicht ab. Gepaart mit der schlechten Anleitung ist dieser Teil des Spiels leider komplett durchgefallen. Allerdings besser ein misslungenes Spielmaterial, als ein misslungenes Spiel.

Wie beschrieben ist Amyitis kein Spiel für einen Abend. Neben der Einarbeitungszeit dauert schon eine einzelne Partie zwischen 90 Minuten und 2 Stunden. Hier sollte auch die Spielrunde eingeschätzt werden. Spieler, die für einen Zug Minuten benötigen, verzögern das Spiel und bringen so leicht einige Längen hinein. Wen der schwierige Einstieg, ein leicht abschreckender optischer Eindruck und eine gewisse Einarbeitung nicht stört, bekommt mit Amytis ein Spiel, dass sich durch seine vielen Abhängigkeiten etwas von anderen Strategiespielen abhebt und wer dazu noch die passende Spielrunde auftreiben kann, bekommt viele strategische Stunden serviert. Amyitis ist aber sicherlich kein Spiel für Zwischendurch oder Gelegenheitsspieler - aber das will es auch gar nicht sein.



29. Juni 2009 - (tp)

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