Rezension von Kuhhandel - Das Brettspiel


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise vom Verlag Ravensburger bereitgestellt wurde.)

Rezension

Kuhhandel. Das Brettspiel
Das 1983 erstmals – damals noch im Eigenverlag – erschienene Kartenspiel Kuhhandel von Rüdiger Koltze hat es mittlerweile auf eine Vielzahl an Auflagen gebracht. 2010 brachte Ravensburger mit Kuhhandel Master das Spiel mit weiteren Regel-Variationen heraus. All dies spricht für das Versteigerungsspiel, welches eine gehörige Portion Bluff-Anteil besitzt. Nun hat Ravensburger noch einmal eine Schippe drauf gelegt, und bringt das Spiel als großes Brettspiel heraus.

Thema und Ziel des Spieles
Wie schon beim Kartenspiel ersteigern und versteigern wir zusammen mit den Mitspielenden Tiere auf dem Viehmarkt. Dessen Anzahl versuchen wir anschließend durch gewiefte „Kuhhandel“ mit unseren Konkurrenten stetig zu erhöhen, so dass wir am Ende möglichst viele, wertvolle und vollständige Sammlungen von Tierarten in unserem Stall stehen haben.

Spielablauf
Das neue Spielbrett besteht aus einem Rund-Parcours für unsere Spielfiguren, der uns zu den einzelnen Viehgattern und den dort aktuell zu versteigerten Tieren führt. In der Mitte des Parcours befindet sich eine Losbude, in der wir außerdem Lose erwerben können. Neu ist außerdem die Markttafel, auf der die aktuellen Werte der einzelnen Tierarten angegeben sind. Ja, richtig, nur die aktuellen Werte – denn anders als im Kartenspiel sind die Werte der zu ersteigernden Tiere variabel und können sich im Laufe des Spiels sowohl nach oben als auch nach unten verändern. Reihum schreiten wir mit unserer Spielfigur auf diesem Rundweg voran. Die Anzahl der Schritte wird durch einen Würfel mit bis zu drei Schritten vorgegeben, wobei wir sowohl weniger als auch mehr Schritte tun können, die Abweichungen vom Würfelergebnis jedoch mit Geld bezahlen müssen. Anschließend führen wir die Aktion unseres Feldes aus:
  • Versteigerung: Wir versteigern das/die Tier(e) des angrenzenden Viehgatters an die Mitspielenden. Die Art der Versteigerung ergibt sich durch den dort ausliegenden Versteigerungsmarker. Diese Marker können von Partie zu Partie variiert werden. Insgesamt kennt das Spiel zehn verschiedene Formen der Versteigerung, die von „Klassisch“, über „Katze im Sack“, „Holländische Versteigerung“ bis hin zu „Amerikanische Anzahl“ und „Second Hand“ reichen. Haben wir einen Goldesel versteigert, so erhalten alle neue und höhere Geldscheine.
  • Kuhhandel: Auf dem Kuhhandel-Feld handeln wir mit einem Mitspielenden, der dieselbe Tierart besitzt wie wir. Beide Tiere werden in die Mitte gelegt und jeder bietet verdeckt eine beliebige Summe Geldscheine für die beiden Tiere. Anschließend werden die Gebote ausgetauscht und jeder behält das gebotene Geld des Kontrahenten, während aber nur derjenige beide Tiere behält, der die höhere Summe geboten hat.
  • Sparschwein: Auf dem Sparschwein-Feld erhalten wir die fünf obersten Geldscheine, die dorthin durch Veränderung der Schrittweite, Marktwertveränderung oder den Kauf von Losen gekommen sind.
  • Markttafel verändern: Hier können wir die Marktwerte beliebiger Tiere verändern, in dem wir Geldscheine bezahlen. Je mehr wir verändern, desto mehr müssen wir dafür aus dem Portemonnaie ziehen. Sobald jemand alle Tiere einer Art besitzt, ist die Veränderung jedoch tabu.
  • Lose kaufen: Lose der Losbude können uns Zusatzaktionen einbringen, die Werte von Tieren am Spielende noch einmal verändern oder Eierlegende Wollmilchsauen einbringen. Diejenige, die am Ende die meisten Wollmilchsauen besitzt, erhält diese eigenständige Tierart als weiteren Multiplikator für die Endwertung hinzu.
Ist das letzte Tier versteigert oder alle Lose an der Losbude verkauft, so endet das Spiel sofort und es findet die Endwertung statt. Neben dem noch vorhandenen Geld zählen die vollständigen Tierarten (jeweils ein männliches und zwei weibliche Tiere). Die Werte der Tierarten werden addiert und anschließend mit der erspielten Anzahl der vorhandenen Tierarten multipliziert. Wer anschließend das meiste Geld besitzt, gewinnt das Spiel.

Zu der hier beschriebenen Regel wird außerdem eine Regelvariante angeboten, die sich an Menschen richtet, denen das vorherige Kartenspiel nicht bekannt ist, sozusagen als Einführungsspiel. Außerdem findet sich eine Regel-Variante mit Tierkindern sowie eine Regel für ein 2-Personen-Spiel.

Gesamteindruck
Während aktuell alle anderen Verlage Kartenvarianten ihrer Brettspiele herausbringen, um die goldene Kuh noch ein wenig weiter zu melken, macht es Ravensburger anders herum: Aus einem erfolgreichen Kartenspiel wird eine Brettspiel-Version auf den Markt geworfen. Warum nicht?

Das Kartenspiel lebte originär davon, dass in der Kuhhandelphase die Stunde der Bluffer und Zocker schlug. Es ging ungeheuer an die Nerven, einschätzen zu müssen, wie viel Geld bei den anderen noch vorhanden war, wie viel bei den bisherigen Kuhhandeln hin und her geschoben wurde. Da ging es um die Anzahl der Scheine, die gewonnenen und verlorenen Tiere, die Mimik und Gesten der Mitspielenden. Was war echt, was war gespielt? Wer nur halb dabei war, war schneller draußen als gedacht. Und vieles war möglich: Selbst mit wenig Geld und nur vielen einzelnen Tieren war es möglich, die Arena am Ende noch als Viehbaron zu verlassen.

Ich habe Kuhhandel als Schüler in der Oberstufe rauf und runter gespielt. Wir waren so vernarrt in das Spiel, dass wir uns Karten mit unserem eigenen Konterfei und anderen Freundinnen und Freunde bastelten und diese Eigenkreation „Menschenhandel“ nannten. Sogar die „Negativ-Sorte“, dessen Besitzer eine Tierart/Personenart wieder abgezogen bekommt, hatten wir uns dafür erdacht, lange bevor Ravensburger dieselbe Idee in Kuhhandel Master später herausbrachte. Vor diesen Erinnerungen und Hintergrund fand ich die neue Brettspiel-Variante daher unglaublich interessant: Unterschiedliche und variable Arten der Versteigerung? Die Möglichkeit, die Werte der Tierarten nach oben und nach unten zu verändern? Das Spielende schon vor der Fertigstellung aller Tierarten vorläufig einläuten zu können? Super Ideen!

Kaum noch Kuhhandel-Atmosphäre vorhanden

Leider ist von der faszinierenden Kuhhandel-Atmosphäre im Brettspiel nicht viel übrig geblieben. Das liegt an vielen Dingen. Da ist zum einen der Rundparcours auf dem Spielbrett. Die Hälfte der Viehgatter sind mit zwei Tieren befüllt. Wer diese (meist mit dem entsprechenden Würfelglück) als Erstes erreicht, kann sehr viel mehr Kohle herausschlagen als alle Mitkonkurrenten. Zwar gab es schon im Kartenspiel das Glückmoment, dass der Versteigende des Pferdes sehr viel mehr Geld erhielt als der eines Hahnes, doch dies glich sich über das ganze Spiel immer wieder aus. Dafür sorgte auch die größere Anzahl an Tieren (vier Tiere, statt jetzt drei pro Tierart). Ist das Gatter zufälligerweise mit zwei hochwerten Tieren wie Pferd und Schwein gefüllt, dann verschafft dies dem Auktionär schon einen immensen Vorteil. Viehgatter mit nur einem einzelnen Schaf oder Hund fallen dagegen krass ab. Wer hier zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, der hat ausgesorgt. Planen kann man dies aber nicht, auch wenn man die Würfelaugen unter Einsatz von Geld nach oben oder unten beeinflussen kann.

Viele Geldscheine zu besitzen ist enorm wichtig. Einmal zu wenig Scheine auf der Hand und man kann über Runden hinweg kaum Handlungsmöglichkeiten besitzen: Keine kleinen Scheine, dann auch schlechte Karten bei Versteigerungen mit billigeren Tieren. Keine kleinen Scheine, dann auch keine Möglichkeit mal ein unattraktives Aktionsfeld überspringen zu können. Keine kleinen Scheine, dann bei den Versteigerungen, bei denen es nicht um Geldbeträge, sondern um die Anzahl der Schiene geht, völlig aufgeschmissen zu sein. Da helfen auch nicht die Sparschwein-Felder, über die man neue kleine Scheine erhalten kann. Der Umweg dorthin, um dann fünf Scheine mit dem Wert Null zu erhalten, lohnt dann doch nicht. Das führt uns zu der spannenden Idee, verschiedene Arten von Versteigerungen ins Spiel zu bringen, denn für mehrere dieser Versteigerungsarten benötigt man sehr dringend viele Scheine mit kleinen Werten. Zwar ist es reizvoll, die unterschiedlichen Arten von Versteigerungen auszuprobieren, doch schnell bleibt der Spaß auf der Strecke, die Auktionen haben so ihre Fallstricke: Die Holländische Versteigerung zum Beispiel (der Auktionator zählt von 10 abwärts und die Zahl, bei der jemand den Auktionshammer greift, muss in Anzahl von Scheinen bezahlt werden). Nicht nur, dass bei jeder dieser Grapsch-A(u)ktion mindestens zwei irgendwie die Hände gleichermaßen am Hammer haben (wer ist dann Sieger?), es kann schon mal passieren, dass man mit fünf Nullern und zwei Zehnern zwei äußerst wertvolle Tiere ergattert.

Manchmal ist weniger mehr!

Acht Versteigerungsfelder stehen leider nur vier Kuhhandel-Felder gegenüber. Das führt dazu, dass sich die Tiergatter recht schnell leeren (bringen sie doch das meiste Geld, zudem hat jeder Angst hier schnell ins Hintertreffen zu geraten), aber nicht sehr häufig Kuhhandel durchgeführt werden. Dadurch ist das Spiel oftmals vorbei, bevor die meisten überhaupt Tierarten vollständig zusammenbringen konnten. Gute Chancen auf den Sieg haben deshalb diejenigen, die sich gleich von Beginn an auf eine möglichst hochwertige Tierart konzentrieren, sich dann über die Losbude noch die Eierlegende Wollmilchsau ergattern und dann noch schnurstracks dafür sorgen, dass per Versteigerungen die letzten Tiergatter leer gemacht werden, damit das Spiel endet, bevor andere ihre Tierarten komplettieren können. So verschwindet das zentrale Element des Kartenspiels – der Kuhhandel – im Brettspiel in der Bedeutungslosigkeit, während nichts so richtig an dessen Stelle tritt.

Fazit
Kuhhandel Das Brettspiel fügt dem Kuhhandel-Mechanismus des Kartenspiels viele weitere Elemente hinzu. Dabei verliert das Spiel mehr als es gewinnt, denn der vorher zentrale Kuhhandel gerät dabei leider völligzur Nebensache. Kuhhandel von Rüdiger Koltze ist weiterhin super, aber eben nach wie vor in der Kartenvariante.

09. November 2016 - (Jan Drewitz)

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