Rezension von Royals


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise vom Verlag Abacus Spiele bereitgestellt wurde.)

Rezension

Royals
2008 brachte Eggertspiele Heads of State von Peter Hawes auf den Markt. Ein Mehrheitenspiel, welches in der Brettspielszene damals aber nur wenig Beachtung fand. Der AbacusSpiele-Verlag sah scheinbar trotzdem noch immer viel Potenzial und bringt nun das Spiel unter dem Namen Royals auf den Markt.

Thema und Ziel des Spieles
Wir versuchen in der Rolle von europäischen Adelshäusern im Europa des 17.Jahrhunderts eine Vormachtstellung zu erlangen. Mittels Länderkarten verschaffen wir uns Einfluss in unterschiedlichen europäischen Städten, um über unterschiedliche Mehrheitenwertungen den Sieg davon zu tragen.

Spielablauf
Wir starten mit einer bestimmten Anzahl Länderkarten auf der Hand. In unserem Zug haben wir jeweils die Wahl drei weitere Länderkarten (drei davon offen plus ein verdeckter Nachziehstapel) zu ziehen oder eine Länderkarte und eine Intrigenkarte (verdeckter Nachziehstapel). Maximal dürfen wir zwölf Länderkarten und vier Intrigenkarten auf der Hand besitzen. Mit diesen Karten können wir bei ausreichend gesammelter Anzahl die in den vier Ländern vorhandenen Stände-Personen in den unterschiedlichen Städten (je einflussreicher die Person, desto mehr Karten sind dafür nötig) besetzen oder eine dieser Personen von unseren Mitspielern mithilfe unserer Intrigenkarten übernehmen. Diese Personen bringen uns wichtige Punkte bei den drei Epochenwertungen, denn immer nur die beiden Einflussreichsten pro Land erhalten zwei Siegpunktchips. Neben diesen Epochenwertungspunkten jagen wir außerdem Städtepunkten (für die Ersten in einer Stadt) und Länderpunkten (für die Ersten, die in einem Land in allen Städten Einfluss besitzen) hinterher. Dadurch, dass wir gleichzeitig beim Einsetzen unserer Einflussmarker in Städte auch Marker auf einen jeweiligen Ständetitel (unter anderem Marshal, Baron, Duke, King) neben dem Spielplan setzen , füllen sich Bilder der jeweiligen Stände ebenfalls im Laufe des Spiels mit unseren Markern an. Am Spielende werden in einer Titelwertung die jeweiligen Mehrheiten auf diesen Ständebildern ermittelt, auch dafür erhalten wir Siegpunkte. Wer von uns am Ende in allen Wertungen die meisten Siegpunkte erzielen konnte, gewinnt das Spiel.

Gesamteindruck
Das Nachziehen und Sammeln der Karten, um diese anschließend auf einer Europakarte vor allen anderen zu verbraten, erinnert leicht an den grandiosen Klassiker Zug um Zug. Dort existieren jedoch acht verschiedene Kartenfarben, bei Royals sind es lediglich vier verschiedene. Diese Reduzierung wirkt sich tatsächlich erheblich auf den Spaß des Kartensammelns aus. Zwar können wir deutlich besser erraten, wohin die Reise bei den Mitspielern aktuell gehen soll, aber dadurch fällt doch ein erhebliches Spannungsmoment weg, der auch durch nichts Vergleichbares ersetzt wird. Gleichzeitig bauen wir bei Zug um Zug mit den Karten an konkreten Zugstrecken, die uns mitfiebern ließen, ob wir unser Ziel vor Spielende noch erreichen konnten oder nicht, die Einflussnahme auf die unterschiedlichen Personentypen des europäischen Hochadels ist dagegen sehr viel weniger spannungsreich. Royals kann hier leider nicht punkten. Wir sparen ein wenig Karten an, versuchen uns etwas an den nachgezogenen Länderkarten unserer Mitspieler zu orientieren, um eventuell in antizyklischer Manier die anderen Adelshäuser auszustechen, schlagen dann irgendwann wie geplant in einer Stadt zu oder disponieren noch einmal kurzfristig um. Allein: Es will keine rechte Spannung aufkommen. Das fängt schon damit an, dass sich das Thema allzu aufgesetzt anfühlt. Zwar spielen wir laut Regelanleitung ein großes europäisches Adelshaus, faktisch jedoch spielen wir nur eine der fünf verschiedenen Spielerfarben. Wir wollen uns im Europa der Ancien Regimes über einflussreiche Positionen den größten Einfluss sichern, faktisch legen wir jedoch nur hier und da abstrakt Einflussklötzchen auf verschiedene Personen. Nach jeweils drei Epochen (1648, 1680 und 1714) wird unser Einfluss in vier europäischen Staaten gewertet, aber nicht einmal die Anleitung informiert darüber, worum es sich bei diesen Terminen, die hier wahrscheinlich für Epochenwenden stehen sollen, eigentlich handelt. 1648 wird es sich um Westfälischen Frieden handeln, 1714 um den preußisch-russischen Allianzvertrag (Preußen existiert auf der Spielbrettkarte, Russland leider nicht ...), aber was sich 1680 Epochenmachendes zugetragen haben soll, ist mir genauso wie Wikipedia und meinem "Großen Kulturfahrplan" schleierhaft. Das mag sich spitzfindig anhören, steht aber auch stellvertretend für die thematische Inhaltsleere des Spiels. Natürlich können wir etwas taktisch und vorausschauend (antizyklisch ist hier das Stichwort) Länderkarten sammeln, müssen sowohl beim Kartennachziehen, aber auch beim Einsetzen der Einflussmarker auf unsere Mitspieler schauen, damit uns dieser nicht plötzlich vor dem Einsetzen zuvorkommt. Das war´s dann aber auch schon. Schon bei der ersten Partie stellt sich das Gefühl ein, dass wir das alles schon einmal nur ein bisschen anders gespielt haben.

Fazit
Royals funktioniert spiel- und regeltechnisch einwandfrei, auch am Material und an der Anleitung lässt sich nichts aussetzen. Trotzdem fühlt sich das alles unglaublich blutleer und altbacken an. Leider sticht nur hervor, dass uns alles merkwürdig bekannt vorkommt. Das liegt nicht unbedingt daran, dass Royals eine Wiederauflage des Spiels Heads of State desselben Autors ist, sondern, dass wir diese Art Mehrheitenwertungen mittlerweile aus vielen, vielen anderen Spielen in mannigfaltigen Variationen kennen.

20. November 2015 - (Jan Drewitz)

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