Rezension von Green Deal


(Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das uns freundlicherweise vom Verlag Karma-Games bereitgestellt wurde.)

Rezension

Green Deal
Von verschiedenen Seiten wird seit einigen Jahren ein Green New Deal gefordert, der begrifflich auf den von Roosevelt in den 30er Jahren geprägten New Deal in den USA zurückgreift und für einen grünen Umbau der Wirtschaft wirbt. Neben einer Reaktion auf den Klimawandel soll er gleichzeitig ein neuer Wachstumsmotor für den krisengeschüttelten, globalen Finanzkapitalismus darstellen. Juma Al- JouJous Spiel lehnt sich nicht nur den Begriff an, sondern versucht die Thematik spielerisch umzusetzen.

Thema und Ziel des Spieles
Wir sind Firmenmanager eines internationalen Konzerns im Jahre 2050. Firmen müssen in der Zukunft nicht nur auf klingelnde Münze achten, nein, auch Nachhaltigkeitsaspekte in den Kategorien Umwelt, Jobs, Soziales und Forschung sind von großer Wichtigkeit für das Image unserer Firma, schließlich sind die Zeiten vorbei, in denen es den Konsumenten egal war wo, wie und unter welchen Bedingungen die begehrten Produkte hergestellt wurden. Also investieren wir in allerlei grüne Projekte und Produkte, hübschen diese zusätzlich noch mit ein bisschen PR-Stuff auf und stellen uns der globalen Konkurrenz.

Spielablauf
Diesen sollte man sich in jedem Fall mit der überarbeiteten Spielanleitung des Verlages erarbeiten, da die Beiliegende noch einige Fehler enthielt. Das Spiel beinhaltet insgesamt 10 Runden, in denen wir in verschiedenen Phasen unsere Weichen für eine glänzende Konzernzukunft stellen. Nach einigen Runden lassen wir unsere Unternehmen hinsichtlich unserer Aufstellung in den Bereichen PR und Nachhaltigkeit bewerten, bis wir uns zusammen mit unseren Konkurrenten am Ende noch einmal einer umfassenden Bewertung unserer Unternehmensbereiche stellen müssen. Dafür gibt’s dann Punkte und für den Sieger mit Sicherheit dann endlich den verdienten Urlaub auf den Bahamas im Wendland. In einer Spielrunde handeln wir immer 4 Phasen ab:

1. Auktion der Spielerreihenfolge
2. Aktualisierung unseres Kontos
3. Investitionen
4. Expansion

Zunächst bieten wir schnödes Geld, um die Spielerreihenfolge zu bestimmen. Das gebotene Geld ziehen wir anschließend von unserem Konto ab und zahlen anschließend dort unser aktuelles Einkommen von der Einkommensleiste ein. Nun geht es ans Investieren. Vier Karten aus den Bereichen Umwelt, Jobs, Soziales und Forschung buhlen um unsere lockeren Gelder. Wohl dem, der nun als Erstes an der Reihe ist, denn nicht alle von uns werden in diese Bereiche investieren können. Haben sich alle bis auf einen von diesen Karten bedient, so stehen diese Nachhaltigkeitskarten in dieser Runde nicht weiter zur Verfügung. Vielleicht wollen wir aber gar nicht Gut-Mensch spielen, sondern investieren stattdessen in Aktionskarten. Diese bieten uns in der Regel mehr Handlungsoptionen während der Spielphasen. Zusätzlich zur Aktionskarte können wir außerdem einen Kredit aufnehmen, der uns in den kommenden Runden eventuell liquider macht. Egal, ob wir nun erstgenannte Nachhaltigkeitskarten oder die Aktionskarten kaufen, solange vorhanden, können wir außerdem sogenannte PR-Chips käuflich erwerben und für unsere Aktionäre Dividenden ausschütten, was zwar unser Punktekonto erhöht, dafür unseren Kontostand verringert. Warum sind die Nachhaltigkeitskarten überhaupt so attraktiv? Weil wir einerseits auf einer Leiste in den jeweiligen Bereichen (noch einmal: Umwelt, Jobs, Soziales und Forschung) weiter nach oben klettern (teure Karte = viele Schritte, billige Karte = wenige Schritte) und ggf. weitere Benefits wie Punkte oder Einkommen erhalten, andererseits, weil wir mit Hilfe dieser Karten in Phase vier auf einer Weltkarte expandieren können. Als Ausdruck unserer Investition können wir nun ein neues Unternehmensplättchen auf die Weltkarte legen und damit entweder mit angrenzenden Unternehmensplättchen des gleichen Bereiches konkurrieren oder kooperieren. Beides wirkt sich wiederum auf unser Einkommen und das des Konkurrenten oder Kooperationspartner aus.

Gesamteindruck
Das Interessante an Green Deal war für mich zunächst das Thema. Ein Managerspiel, bei welchem es nicht nur darum geht, wer am Ende die meisten Aktien oder die meisten Geldbündel verdient hat? Das Design der Spielpackung und die der Spielkarten waren ein weiteres Kriterium, es mal mit diesem Erstling, der gar nicht aussieht wie ein Erstling, von Juma Al-JouJou zu versuchen. Nach den ersten Runden müssen wir leider feststellen, dass dieses Spiel eben auch nur mit Leisten und Aktionskarten arbeitet, genauso wie das zig Manager- und Wirtschaftsspiele vor ihm getan haben. Das ist nicht per se schlecht, aber leider schafft es das Spiel nicht, einen Flow über die Verwaltung der einzelnen Leisten zu erzeugen. Anstatt, dass wir uns fühlen wie kleine Weltenretter aka Mark Zuckerburg oder Jeff Bezos, wenn wir diskriminierende Bewerbungsverfahren in unserem Unternehmen unterbunden haben und Wasserstoffautos oder wasserspülungsfreie Urinale erfinden, nein, wir kaufen die Karten, legen sie beiseite und verwenden gefühlt 99% der Spielzeit darauf, Leisten an- und abzugleichen, anzupassen, zu aktualisieren und dann noch zu bewerten. Da will einfach kein thematischer Funke überspringen, weder Spannung noch Dynamik aufkommen. Hinzukommt, dass die erwarteten Dilemmata, entweder auf Nachhaltigkeit oder auf fiesen Kommerz zu setzen, nicht existieren. Niemand von uns kommt groß in irgendwelche moralischen Zwiespälte. Denn diese existieren lediglich auf dem Papier: Mit Hilfe der Aktionskarte „Steuerflucht“ können wir beispielsweise unser Geld in Steueroasen deponieren, was sich kräftig auf unser Konto auswirkt. Kein Risiko, kein moralisches Dilemma – sobald wir die Karte auf unseren Leisten abgearbeitet haben, hat sich die Angelegenheit für den Rest des Spiels erledigt. Der Autor, Juma Al-JouJou, hat sich in einem Interview mit der Spielbox 2014/6 dazu geäußert, warum er sogar eine Umsetzung seines Spiels durch einen Verleger abgelehnt und lieber im Eigenverlag Karma Games über eine Crowdfunding-Kampagne auf der Plattform Startnext finanziert hat. Zuvor hatte er sich schon ein EXIST-Gründerstipendium gesichert, welches vorschrieb, dass er die Rechte am Spiel behalten musste. Leider muss man aber sagen, dass eine redaktionelle Bearbeitung durch einen schon länger in der Branche tätigen Verlag nicht ganz verkehrt gewesen wäre. Damit man mich nicht falsch versteht: Für das erste Spiel eines Selbstverlages kann sich Green Deal absolut sehen lassen und würde von den meisten Menschen auch nicht als solches erkannt werden. Allein die vielen individuellen Kartenillustrationen heben das Spiel auf ein professionelles Produktniveau. Dennoch fallen ein paar kleine handwerkliche Ärgerlichkeiten auf, die evtl. vermeidbar gewesen wären. Da ist zum einen die Auktionsdrehscheibe, die erstens mit den Händen vor den Blicken der Mitspielenden abgeschirmt werden muss und zweitens nicht festgestellt werden kann, da ist zum anderen die problematische Abstimmung der Farben rot/orange und blau/grün für die Marker, die nicht sehr gut zu unterscheiden sind. Für das verdeckte Setzen der PR-Chips wäre es darüber hinaus sinnvoll gewesen, sie rückseitig nicht zu bedrucken. Ob auch die Option „Darlehen aufnehmen“ einer solchen redaktionellen Bearbeitung zum Opfer gefallen wäre, kann nur spekuliert werden, diese fühlt sich aber altbacken und unnötig an, da sie nur Unwägbarkeiten ins Spiel einbringt und in meinen Runden immer auf die Verliererstraße geführt hat. Das Thema des Spiels ist gelungen gesetzt und hebt sich erfrischend von dem ganzen anderen Mittelalter-Western-Ägypten-Einheitsbrei ab, der seit Jahren auf den Markt geworfen wird. In diesem Segment fällt mir da zuletzt nur Das 20.Jahrhundert ein. Auch dort war es leider so, dass der Verwaltungsaufwand das Thema stark in den Hintergrund gedrängt hat – dies passiert leider auch in Green Deal, bei dem nur die schon erwähnten Kartenillustrationen die Atmosphäre tragen. Damit wurde ihnen zu viel aufgebürdet, denn man legt sie ab und vergisst sie, denn man hat zu viel andere Dinge zu Händeln: Scheibe einstellen, Leisten angleichen, Marker setzen und rumrechnen wie viel Geld in der nächsten Runde benötigt wird. Größtes Manko ist aber, dass die Gewinnstrategien zu unvariabel sind, da kann auch der tolle Kooperation/Wettbewerbs-Mechanismus nichts ändern: Gewinnen kann nur, wer konsequent auf eine Farbe für die Nachhaltigkeitswertung setzt.

Fazit
Green Deal besitzt ein erfrischendes Thema, welches durch schön gestaltete Karten illustriert wird. Leider rückt das Thema durch den spielimmanenten Verwaltungsaufwand sehr in den Hintergrund, was leider auch nicht die atmosphärisch stimmigen Illustrationen der Karten retten können. Für das erste Spiel eines Verlages ist Green Deal eine Ansage, leider aber nicht mehr, denn spielerisch hebt es sich leider zu wenig von den bekannten Manager- und Wirtschaftsspielen ab.

20. Januar 2016 - (Jan Drewitz)

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