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Partien: 1 |
Kommentar vom 18.04.2022: Fische würfeln?? Absolut und klar wie die ruhige See! »Pescado« hat nicht bloß einen punktgenauen und wunderschönen Titel, sondern auch ein wohltemperiert leises Hintergrundthema: Das Fischen, die Beutezüge im Meer, Netze einholen und den Ertrag an Land ziehen. Man schaut – von oben wie vom Oberdeck des Kutters – auf die Fischgründe hinunter, die Schwärme in Gelb, Orange, Rot, Blau, Grün und Schwarz, in eben so vielen Farben wie auf einen Würfel passen. Davon gibt es fünf plus zwei Zusatzwürfel in gleicher Art, jedoch durch leichte Blaufärbung unterscheidbar. Wie auf ihnen ist auch auf den runden Fischplättchen die Symbolik angenehm reduziert und stilvoll gestaltet: Ornamentale Fische – leicht christlich anmutend und erinnernd an Kirchenfenster-Rosetten – bilden jeweils zu Dritt alle möglichen Farbkombinationen.
Im Zusammenspiel mit dieser gediegenen Gestaltung gewinnt man schon beim ersten Kennenlernen der Spielabläufe und -mechanik den begeisternden Eindruck: Hier haben wir ein nobles »Bratwurmeck« im NOVA LUNA-Look, das locker einen Design-Preis verdient hätte! Tatsächlich dürfen wir hohes Gestaltungsniveau und tadelloses Spiele-Handwerk von Steffen-Spiele auch erwarten, die sich mit geschmackssicherer Reduce-to-the-Max-Philosophie einen Namen gemacht haben. So ist auch Pescados Spielmaterial höchst gelungen.
Spielt man nach schnellem Einstieg los, ist man in der Tat sogleich im »Heckmeck«-Spielgefühl, allerdings in anderer Stimmung, denn statt überdrehter Albernheit und Witzigkeit ist Pescado ernst und fokussiert, nichts lenkt ab. Nicht auszudenken, wie die Atmosphäre abdriften würde, ließen die Fischlein mit verdrehten Glubschaugen die Zungen raushängen! Aber das wäre auch nicht Steffen. Zum Glück! – Konzentriert geht das große Würfel-Kombinieren los. Der Mechanismus der Zusatzwürfel ist ein genialer Schachzug: Ihren Einsatz im zweiten Wurf bezahlt man durch Opfern (= Umdrehen) von je zwei Fisch-Kärtchen der Sechser-Auslage, reduziert also die verfügbaren Fischgründe bei gleichzeitiger Erhöhung der Würfel-Chancen. Generell wird alles abgefischt, was mit den gewürfelten Farben geht, frei kombinierbar und mit multipler Farben- bzw. Würfel-Nutzung. Böse: Der eigene Fischzug ist nicht sofort »safe«, denn im gegnerischen Folgezug kann der konkurrierende Fischer zusätzlich sprichwörtlich »in fremden Gewässern fischen« und meine Beute ebenso ins Visier nehmen, sofern es seine Würfelfarben zulassen. Was er dort abgreift, kassiert er kurzerhand und unwiederbringlich als eigenen Ertrag ein. Erst vor meinem nächsten Zug kann ich meine zuletzt regulär aus dem großen Teich gefangenen Fische als Siegpunkte sichern, also umdrehen. Das ist ein perfider Mechanismus und extrem spannend, denn der Fisch-Klau ist ein sehr effizientes Mittel, sofort Punkte klarzumachen und dem Gegner zu schaden. Auch wenn das wirklich intensiv nach »Heckmeck am Bratwurmeck« riecht wie alter Fisch, ist es hier doch so elegant umgesetzt und ansprechend gestaltet, dass man Knizias närrische Würmer und zerrupften Hühner gerne links liegen lässt. Bei dem angenehm erwachsenen »Pescado« werden wir immer wieder gerne und ohne viel Heckmeck unsere Netze auswerfen.
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